Digitale Disruption – 4 Tipps für etablierte Unternehmen

Digital Disruption Marketing Technology

Digitale Disruption ist allgegenwärtig. Dennoch sind zahlreiche etablierte Unternehmen gar nicht oder schlecht vorbereitet. Dieser Artikel beschreibt welche 4 Fähigkeiten essentiell sind, um sich vor den Gefahren digitaler Disruption zu schützen und die sich eröffnenden Möglichkeiten zu nutzen.

Ich habe mich für diesen Artikel durch den Vortag “Digital Disruption Deconstructed” von Prof. Michael Wade bei der MarTech in London inspirieren lassen. Er handelte davon, dass heute aufgrund drohender digitaler Disruption, langfristige Strategien zunehmend an Wirkung verlieren und dafür Agilität an Bedeutung gewinnt.

Der Vortrag hat ein komplexes Dilemma beschrieben, für das etablierte Organisationen derzeit Lösungen suchen (müssen!) und bietet auch konkrete Lösungsansätze. Im folgenden Blogpost finden sich sowohl Zitate aus dem Vortrag, als auch eigene Gedanken und Ideen zur digitalen Disruption.

Grossfirmen kämpfen damit die neuen Begrifflichkeiten zu verstehen und für sich zu definieren, gleichzeitig ist es eine grosse Herausforderung zu definieren, wie sich ein Unternehmen inmitten der globalen digitalen Transformation verhalten soll. Durch die Digitalisierung und die damit verbundene Transformation der Gesellschaft, werden etablierte Geschäftsmodelle erschüttert oder gar obsolet während sich gleichzeitig eine kaum überschaubare Fülle von neuen Möglichkeiten eröffnet. Mehr zu den Begrifflichkeiten “digital” und “digitale Disruption“.

Digitale Disruption: digitaler Strudel

Der digitale Strudel

Wade vergleicht diesen tiefgreifenden Wandel mit einem digitalen Strudel. Mit dem Begriff und dem Bild eines Strudels sowie dessen natürlichen Eigenschaften, lässt sich sehr gut erklären, dass es Industrien gibt, die in sich näher am Zentrum des Strudels befinden wo die Geschwindigkeit am grössten ist und andere sich am äusseren Rand befinden, wo die Krafteinwirkung und die Geschwindigkeit geringer sind. Eine weitere Eigenschaft eines Strudels ist, dass er unberechenbar ist, das heisst man kann nicht zuverlässig hervorsagen, was der Strudel als nächstes von seinem äusseren Wirkungskreis in sein Zentrum reisst.

Übertragen auf die sogenannte “digitale Disruption” und deren Auswirkung auf bestehende Industrien, sieht man solche, deren Geschäftsmodelle stärker durch disruptive Geschäftsmodelle gefährdet sind als andere. Typischerweise korreliert diese Gefährdung stark damit wie sehr diese Geschäftsmodelle auf digitalen Technologien aufbauen, z.B. Technologiebranche vs. Pharmaindustrie oder Öl und Gas. Die Technologiebranche ist ganz offensichtlich einem sehr viel höheren Risiko für Angriffe auf ihre Geschäftsmodelle ausgesetzt wie die grossen und etablierten pharmazeutischen Unternehmen. Dies konnte man zum Beispiel an den bereits erfolgten Angriffen durch Skype mit kostenloser Telefonie oder WhatsApp mit kostenlosen Kurznachrichten beobachten.

Im Vortrag wird aber auch deutlich, dass eine Position am äusseren Rand des Strudels nicht vor digitaler Disruption schützt, es ist lediglich weniger wahrscheinlich davon plötzlich überrascht zu werden. Die Gefahr jedoch, dass z.B. ein Startup plötzlich und unverhofft mit einem völlig neuen Geschäftsmodell in den Markt drängt und so Druck auf Marktanteile sowie Margen eines etablierten Brands am äusseren Rand des Strudels macht, ist dennoch vorhanden.

Viele Unternehmen scheinen sich momentan in einem Handlungsspektrum zwischen Ratlosigkeit über Abwarten, bis hin zur Ignoranz der Gefahr zu befinden. Wir können davon ausgehen, dass diese Unternehmen binnen einiger Jahre entweder an Bedeutung verlieren oder, dass sie enorme Anstrengungen unternehmen müssen um verlorene Marktanteile zurückzugewinnen und die verbliebenen zu verteidigen.

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Begegnung mit dem Biest

Ich denke dabei an den folgenden Vergleich: Man stelle sich vor, man unternimmt eine gemütliche Wanderung in den Alpen – ein sehr grosses Gebiet, in dem es ein paar wenige Bären gibt. Die Wahrscheinlichkeit auf einen Bären zu treffen, ist insgesamt sehr gering. Trifft man dann doch auf einen, so ist dies vor allem für den Wanderer sehr unverhofft. Er rechnet nicht damit, er nimmt den Bären vermutlich auch erst dann wahr, wenn dieser hinter einem Gebüsch hervorkommt. Und dann? Das Herz pocht, Adrenalin schiesst in die Adern, das Gehirn scheint still zu stehen und der Wanderer ist steif vor Schreck. Wie lange wird der Bär dem Wanderer wohl Zeit lassen um die Kontrolle über sich selbst zurückzugewinnen, die Situation zu analysieren und mögliche Handlungsoptionen abzuwägen? Wenn der Bär nicht davon läuft, so wird man zumindest sicher sein können, dass man das eigentliche Wanderziel zunächst vollkommen unterordnen muss, um die Gefahren für Leib und Leben zu minimieren.

Für eine etablierte Organisation bedeutet digitale Disruption ein Risiko, das sich lange Zeit mit kleinen Vorzeichen andeutet – siehe Schaubild. Zu diesem Zeitpunkt braucht es wachsame Leader, die weit vorausschauend handeln können. Mit handeln meine ich, die Bereitschaft herbeizuführen um bestehende Geschäftsmodelle durch neue zu ersetzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Netflix. Das Unternehmen hat rechtzeitig wahrgenommen, dass der DVD-Verleih durch Streaming-Dienste gefährdet ist. Als eines der ersten Unternehmen hat Netflix radikal vom Verleih von DVD’s auf Streaming umgestellt.  Reed Hasting, der CEO von Netflix sagte dazu mal in einem Interview folgenden Satz: “Companies rarely die from moving too fast, and they frequently die from moving too slowly.” – Firmen sterben selten dadurch, dass sie sich zu schnell bewegen aber sie sterben regelmässig dadurch, dass sie zu langsam sind.

 

Mit Agilität bereit für disruptive Wettbewerber

Der Rat an grosse etablierte Unternehmen lautet im Vortrag von Prof. Wade, sich zum einen weniger auf Strategien zu verlassen und dafür die Organisation sehr viel agiler zu machen und zum anderen geht es um drei ganz konkrete Massnahmen um sich vor Disruption schützen können:

1. Hyper Awareness

Unternehmen müssen permanent im wissen was am Markt passiert und was ihre Kunden bewegt. Dies bedingt eine unablässige Analyse von Märkten, Technologien und Kundenverhalten. Ausserdem muss das Unternehmen in der Lage sein, dieses Wissen und diese Daten zentral zusammenführen und auswerten zu können um schnelle und informierte Entscheidungen ermöglichen zu können.

2. Informed Decision Taking

Das Management muss jederzeit in der Lage sein, Entscheidungen auf Basis von Analyse-Daten und soliden Fakten zu treffen. Wenn ein neues disruptives Geschäftsmodell einen Markt erschüttert, haben die betroffenen Unternehmen häufig nicht die Zeit, sich erst dann mit der Analyse der Situation, der Handlungsmöglichkeiten, der Vereinbarkeit mit der bestehenden Unternehmensstrategie und den möglichen Folgen von Handlungsoptionen auseinanderzusetzen. – Diese Informationen sind essentiell um informierte Entscheidungen treffen zu können.

3. Ultra fast execution

Wenn Entscheidungen getroffen wurden, heisst das noch lange nicht, dass diese auch schnell umgesetzt werden können. Insbesondere grosse Organisationen sind dafür ausgelegt ihre Geschäftsmodelle zu erhalten, Kernprozesse zu stabilisieren und Schrittweise zu optimieren wo nötig. Sie zeichnen sich durch komplexe IT Landschaften aus, mit zahlreichen Legacy-Applikationen, die sich nicht ohne Weiteres über Schnittstellen integrieren und schon gar nicht einfach ablösen lassen. Deployment Zyklen von 6-12 Monaten machen es nicht einfach Änderungen in diese Systeme einfliessen zu lassen. Die Mitarbeiter haben Angst vor Fehlern und den damit verbundenen Folgen, sichern sich lieber doppelt ab und werden somit eher für die Erhaltung des Status Quo als für Innovation belohnt.

Agilität über den Rahmen einzelner Software Projekte hinaus, kann hier helfen. Dies bedingt allerdings auch darüber nachzudenken wie man sich vom klassischen strategischen Vorgehen löst und agiles Handeln den strategisch vordefinierten Aktivitäten und Prioritäten voran stellt.

Agilität wird wichtiger als Strategien

In einer Welt, wo heute unklar ist, welche Geschäftsziele morgen, in einem Jahr oder in drei Jahren erreicht werden müssen, weil sich die Umwelt rasant verändern kann und es zu viele Variablen und Abhängigkeiten gibt, müssen wir uns auf einen diffusen Zielraum einstellen. Bei einem diffusen Zielraum ist eine einzelne Strategie mit einem klaren Ziel sehr riskant und die Wahrscheinlichkeit, dass das definierte Ziel noch während der Strategie Umsetzung an Bedeutung verliert ist zu gross. Die Lösung besteht darin multiple Strategien parallel auszuführen.

Shawn Kanungo ging in seinem Vortrag an der MarTech London 2016  “Beyond Creative Destruction: Hyper Cannibalism in a Disruptive World” sogar noch weiter und empfahl Hyperkannibalismus (sich kannibalisierende Geschäftsmodelle parallel zu betreiben) um somit ganz nach dem darwinschen Gesetz, Geschäftsmodelle auszusortieren, die den veränderten Marktbedingungen nicht mehr gerecht werden. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass man externer Disruption eher zuvorkommt, und die eine Erfolgswahrscheinlichkeit für strategisches Vorgehen in diffusen Zielräumen gesteigert wird.

Aber noch viel wichtiger aus meiner persönlichen Sicht ist, dass sich die Organisation und deren Mitarbeiter im agilen Vorgehen üben. Der stetige Wandel und die Besinnung auf das wirklich Wichtige werden somit zum Alltag. Im Kontext der Bärenbegegnung bedeutet dies über die Umgebung sowie das Verhalten von Bären informiert zu sein, aufmerksam durch den Wald zu gehen, auf Basis dessen schnell entscheiden zu können oder im Notfall auch schnell die Entscheidung zu ändern, wenn sich die Dinge anders entwickeln (der Bär greift vielleicht doch an, rennt schneller, klettert besser).

In diesem Sinne viel Erfolg bei der nächsten Wanderung oder im Strudel der digitalen Disruption.

Lesen Sie mehr über digitale Disruption in den folgenden Blog Artikeln (englische Sprache):

Weitere Links zum Artikel:

Lesen Sie mehr in der Präsentation zu Digital Disruption deconstructed von Michael Wade (englische Sprache)

Lesen Sie mehr über Hyperkannibalismus in der Präsentation von Shawn Kanungo (englische Sprache)

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